Elke Simon

Entwicklungsgeschichte der Gemeinde Driedorf

Entwicklungsgeschichte

Der Westerwald, urkundlich 1048 erstmalig unter die­sem Namen genannt, war ursprünglich, darauf deuten vor allem die großen Braunkohlelager, wohl ein sehr dichtes Waldgebiet. Es gibt betreffs seines Namens verschiedene Deutungen. Die bekanntesten sind die beiden folgenden: Chr. D. Vogel: „Wister = weißer = Schneewald“. Dr. Gensicke vom HStAW — in den Nass. Annalen 68. Bd. 1952 S. 262ff: „Zu dem Kö­nigshof Herborn hatte als Waldgebiet der Westerwald gehört, der nach seiner Lage westlich von Herborn ge­nannt Ist“.

Über die frühen Besiedlungen gibt es mittlerweile doch einige Anhaltspunkte, mit deren Hilfe wir versu­chen wollen, die Vergangenheit dieses Gebietes etwas aufzuhellen. Einen Weg dahin, wenn auch noch in be­scheidenem, immerhin bemerkenswerten Umfang bot uns die, in den letzten Jahren hier durchgeführte Feld­archäologie, d.h. Grabungen, Bohrungen, Erfor­schung von Ackerrainen, Wegesystemen u. dergl. Wir erinnern an Grabungen und Funde in den Erdbacher Steinkammern, die sogar eine Besiedlung vor unserer Zeitrechnung nachweisen. Da auch im Raum unserer Großgemeinde zahlreiche Bohrungen und Grabungen durchgeführt wurden und eine frühe, wenn auch spär­liche Besiedlung durch Scherbenfunde und Schlacken­halden nachweisbar ist, soll im folgenden.das wichtig­ste hierzu berichtet werden.

Zunächst stellt sich die Frage, woher wohl die Men­schen kamen, die sich hier oben familienweise in dem unwirtlichen Klima, auf dem Wetterdach des Wester-waldes ansiedelten. Sicher ist es überflüssig, im Rah­men unserer Arbeit erforschen zu wollen, welchem Völkerstamm sie genau zuzuordnen seien, hierzu gibt es bereits genügend Literatur. Man darf annehmen, daß sie neben Kelten ein Teil der schon in vorge­schichtlicher Zeit süd- und westwärts drängenden ger­manischen Stämme, vor allem der Chatten waren. Es wird angenommen, daß die frühen Siedler von der un­teren Lahn her in unser Gebiet vorrückten, was durchaus einleuchtend erscheint. Um das Jahr 1100 saß eine rheinfränkische Bevölkerung fest und seßhaft in unserem Gebiet, da inzwischen die vorangegangene Völkerbewegung zum Stillstand gekommen war. “

Gern genutzte Siedlungsstellen waren, das ist leicht er­kennbar, nicht versumpfte Flußniederungen, sondern die Höhenrücken, über die alte Heer- und Handels­wege führten. Des weiteren boten sich die hier vor­kommenden großen Waldgebiete den vordrängenden Köhlern und Eisenschmelz (Renn)bauern geradezu an. Der, infolgedessen in Gang gekommene Handel erschloß immer neue Siedlungsgebiete und so dürfen wir annehmen, daß das 11. bis 14. Jahrhundert als der eigentliche Zeitraum der Besiedlung unseres Ge­bietes anzusetzen ist.

Einen weiteren Anreiz zum Siedeln boten die, hier reichlich vorhandenen Quellen, die für Menschen und Vieh gutes Wasser lieferten. Am Rand der Wester­wald-Hochfläche, zwischen 550—590 Meter hoch, stand dieses unentbehrliche Element auch in trocke­nen Jahren reichlich zur Verfügung.

Namen, ehemalige und heutige, sowie erste Nennun­gen und Höhenlage der zur Großgemeinde Driedorf gehörenden Orte:

1100 Driedorf, Dridorf, Drydorff, Drittorf (472 m)

1234 Mademühlen, Malbodomuhlen, Malbodsmühlen, lt. Vogel (499 m) 1315 Heisterberg, lt. HStAW. (575 m)

1347 Heiligenborn, Helgenborne, Hylligenborn, lt. Vogel (475 m)

1347 Roth, Rod, Roode, lt. Schäfer (470 m)

1396 Seilhofen, Syloben, lt. Vogel (467 m)

1428 Hohenroth, zum Rodgin, lt. Vogel (588 m)

1447 Waldaubach, Waltubach, lt. Bender H. K. Vogel (583 m)

Münchhausen, Monchhusen, lt. Vogel (457 m)

Der höchstgelegene Ort Hohenroth mit 588 m und der niedrigstgelegene mit 457 m, merkwürdigerweise Münchhausen, ergeben einen Höhenunterschied von 131 m. Die Höhenlagen sind der topographischen Karte L 5314, Maßstab 1 : 50 000 entnommen.

Die angegebenen Daten vor jedem Ort können keines­wegs Aussagen über ihre Gründungen, sondern nur geschichtlich erhärtete Jahreszahlen im Zusammen­hang mit Abgaben an Adel und Kirche als erste Nen­nungen sein. Die Anfänge zur Gründung der frühen Siedlungen liegen mit Sicherheit wesentlich weiter zu­rück.

Über durchgeführte Forschungen und Untersuchun­gen berichtet in anschaulicher Weise ein in 1979 leider jung verstorbener ehem. Sohn der Stadt Dillenburg, Herr Prof. Dr. Martin Born. Mit einer in 1957 veröf­fentlichten, sehr gewissenhaften Dissertation unter dem Titel „Siedlungsentwicklung am Osthang des Westerwaldes“ berichtet er ausführlich über von ihm, mit einigen Mitarbeitern durchgeführten Forschungen und Erkenntnissen, deren Weitergabe uns freundli­cherweise von seinem Vater gestattet wurde. Diese Möglichkeit ist erfreulich, da die schriftlichen diesbe­züglichen Dokumente sehr mager sind. Dazu mag uns zunächst ein Ausschnitt aus einer vom Autor angefer­tigten Karte des ehemaligen‘ Dillkreises einen Über­blick geben von den schriftlich belegten und nicht belegten Ortswüstungen des Mittelalters, den nach­weisbaren und vermuteten vorgeschichtlichen Wohn­plätzen, sowie den heute bestehenden Ortschaften.

Born, Seite 19: „Die mittelalterlichen Urkunden nen­nen vor allem die in der Nähe der Städte und Burgengelegenen Siedlungen, nur selten werden auf dem ho­hen Westerwald gelegene Ortschaften erwähnt, die meisten Wüstungen des Westerwaldes werden durch schriftliche Überlieferung überhaupt nicht erfaßt.“

„An vielen Stellen, von denen einzelne noch benannt werden, lassen sich infolge des Vorhandenseins ehe­maliger Ackerterrassen, aufgegebener Wegesysteme, Steinwällen und Mauern ehemalige Gehöfte oder Wü­stungen vermuten. Allerdings sind dies nicht allein unbedingte Beweise für eine Wohnsiedlung. Kommen allerdings Keramik, Schlacke, Eisenteile oder gar Fundamentreste hinzu, kann mit ziemlicher Sicherheit auf das Bestehen einer ausgegangenen Siedlung ge­schlossen werden.“ Seite 23: „Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für die Feststellung des Alters von Orts­und Flurwüstungen bilden die auf fast jedem Wohn­platz gefundenen Reste vorgeschichtlicher und mittel­alterlicher Keramik.“ Seite 21: „Auffallend hoch ist die Zahl der Orts- und Flurwüstungen in der Umge­bung von Driedorf. In der östlichen Gemarkung lagen Fudenhausen, Scheuern und das allerdings nur aus der mündlichen Überlieferung bekannte Königsbuch. In der nördlichen Gemarkung bestand das gleichfalls nur mündlich überlieferte aber durch Keramikfunde gesicherte Reichelshain. Im östlichen Teil der Drie­dorfer Nachbargemarkung ‚Mademühlen wurden Rehfeld und Hasdorf im späten Mittelalter aufgege­ben. Mit der Stadtrechtsverleihung an Driedorf 1305 könnte allenfalls das Wüstfallen von Reichelshain in Verbindung gebracht werden. Das Dorf lag der Stadt am nächsten benachbart, seine Flur fiel gänzlich an Driedorf und blieb weiterhin bewirtschaftet. Scheu­ern, Rehfeld und Hasdorf bestanden noch 1324, wahrscheinlich sind sie erst in der zweiten Hälfte des 14. Jh. wüst geworden. Für Driedorf waren diese Vor­gänge dann freilich von geringer Bedeutung. Die Flu­ren von Fudenhausen und Königsbuch wurden völlig wüst, die von Rehfeld fiel an Mademühlen. Die Has-dorfer Ländereien sind zwischen Driedorf und Made­mühlen aufgeteilt worden, nur ein Teil der Scheuerner Flur ist, wie der Name Scheuernfeld heute noch zeigt, von Driedorf aus weiter bestellt worden. Insgesamt hat so die spätmittelalterliche Wüstungsperiode für Driedorf zwar eine erhebliche Vergrößerung seiner Gemarkung erbracht, die landwirtschaftlichen Nutz­flächen jedoch nur durch Teile von Wüstungsfluren vergrößert und abgerundet.“

Weitere Siedlungen werden von Prof. Born am Nord­osthang des Höllkopfes in der Nähe der Alten Rhein­straße, in Waldaubach, sowie in der Einhardsheck bei Roth genannt. Im Driedorfer Distrikt 20 am Heck­mannsberg, in den Königswiesen, am Brucherborn so­wie westlich des Wohnplatzes Fudenhausen, wo es Gruppen- oder Einzelsiedlungen gab (Hube), die im Laufe des Mittelalters wüst wurden.

Von den angeführten Siedlungen verdienen zwei un­sere besondere Beachtung.

  1. Die Bermeshube bei Heisterberg,
  1. Das Wohngebiet Fudenhausen in der Gemarkung Driedorf innerhalb des Distrikts 9 auf der Vorderen Laye.

Prof. Born zur Bermeshube, Seite 27: „In dem Wald­distrikt am Nordhang des Höllkopfes Bermeshube in der Gemarkung Heisterberg wurde an einem Bach­lauf, der ein halbkreisförmiges Wohnpodium durch­schneidet, Kalenderbergware (aus der Periode Hall­statt D, welche die Kultur der frühen Kelten 1750—450 v. Chr. umfaßt, die von Ostfrankreich bis zur Balkanhalbinsel verbreitet war) aufgelesen, die ihre Parallelen in Funden aus Veledahöhle bei Velme­de und aus Brandgrubengräbern bei Hatzfeld hat. (Kalenderbergware hat ihren Namen nach dem Kalen­derberg bei Mödlingen, Niederösterreich, und ist eine mit plastischen Leisten oder Buckelreihen verzierte Ton wäre der späten Hallsteinzeit lt. Brockhaus). Die Bermeshube liegt südwestlich des Heisterberger Wei­hers, am Nordhang des Höllkopfes. Die genaue Lage des Wohnplatzes zeigen zwei große, halbkreisförmige Podien an, deren Terrassenkanten durch Stein­packungen verstärkt waren. Am Westrand eines Podi­ums floß früher einer der zahlreichen, auf dem sehr feuchten, stellenweise noch versumpften Hang ent­sprechende Bäche. Heute hat sich der Bachlauf in das Podium eingeschnitten, unterhalb der Terrasse wurde in dem Bach vorgeschichtliche Keramik gefunden. Aus dem Mittelalter stammen auch eine kleine Schlackenhalde dicht unterhalb des Podiums und ei­nige Meter weiter oberhalb, Steinlesungen und Stu­fenraine.“